Sicher lesen lernen mit dem Vokal-Austausch-Verfahren

Dipl.-Paed. Lothar Schmitt

 

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Methodische Umsetzung

 
Erfahrbarmachen der Graphem-Phonem-Korrespondenz mit Hilfe des Vokal-Austausch-Verfahrens

Mit diesem Verfahren kann bereits begonnen werden, wenn die Kinder lediglich einige Vokale und Konsonanten kennen. Als erstes Wort bietet sich das Wort "Mama" an, das in vielen Fibeln und Leselehrgaengen sehr frueh als Ganzwort oder durch Aufbauuebungen eingefuehrt wird. 

Ein Grund ist sicher der emotionale Bezug der Kinder zu diesem Wort, das ja auch zu den ersten Woertern in der Sprachentwicklung des Kleinkindes gehoert. Aus lesemethodischen Gruenden, spricht die relative Lautreinheit mit dem Dauerlaut "M" und dem Vokal "a" fuer seine Eignung in dieser fruehen Phase. Viele Kinder praegen sich dieses Wort schnell als "Ganzwort" ein und lesen auch aehnlich aussehende Woerter faelschlicherweise als "Mama".

Dabei bieten dieses Wort und aehnliche KV-KV-Woerter, das sind Woerter mit der Buchstabenfolge Konsonant-Vokal-Konsonant-Vokal, die ideale Moeglichkeit, den Kindern das Erlesen und die Einsicht in den Aufbau der Schriftsprache erfahrbar zu machen.

Schon sehr frueh im Leselernprozess, wenn die ersten Dauerlaute und Vokale eingefuehrt sind - oder bei einer falschen Lesestrategie wie oben beschrieben -, koennen sinnvolle Uebungen erfolgen, welche die Kinder vom Raten wegfuehren.

Auch fuer aeltere "Nichtleser" bietet sich dieser Einstieg - gegebenenfalls mit anderem Wortmaterial - an, denn Ersetzungsuebungen machen dem Kinde einsichtig, dass jede Veraenderung des Worts durch Austausch eines Buchstabens - in diesem Fall zunaechst eines Vokals - ein Veraenderung im Klangbild bewirkt.

Wenn am Ende des Wortes "Mama" z.B. das "a" durch ein "i" ersetzt wird, dann kann man kein "a" sondern muss man ein "i" hoeren. Das Kind erfaehrt: Jeder eingesetzte Vokal kann artikuliert und gehoert werden. Es handelt sich dabei um eine "Teilsynthese" an sinnvollen Einheiten, die den Kindern die notwendige Einsicht in den Aufbau der Schriftsprache vermittelt. 

Durch das Austauschen der Vokale werden die Veraenderungen im Wort fuer die Kinder im wahrsten Sinne des Wortes "begreifbar".

Methodisches Vorgehen

Das Wort wird den Kindern zunaechst auf einem laminierten Pappstreifen mit der Frage angeboten, ob sie daraus mit Hilfe der bereitliegenden Buchstaben ein Wort bilden koennen (s. Abbildung 1 unten). Alle Vokale heben sich durch ihre rote Farbe von den schwarzen Konsonanten ab und fallen den Kindern besonders ins Auge. Alle Kinder, mit denen wir im Rahmen des Foerderunterrichts bzw. im Rahmen der Diagnostik gearbeitet haben, bildeten das Wort "Mama" durch Einsetzen der beiden "a". Danach beginnt jeweils eine spannende Phase:

Ist das Kind auch in der Lage, andere Vokale einzusetzen und das dadurch entstandene Wort zu erlesen ? Wenn ja, dann hat es das Prinzip des Erlesens verstanden und das Weitere ist nur noch ein Ueben und Redundantmachen der Silben fuer ein effektiveres Lernen.

Ist das Kind nicht in der Lage, andere Vokale einzusetzen und die dadurch entstandenen Woerter zu lesen, fuehre ich dies zunächst selbst vor. Ich ersetze das zweite "a" von "Mama" durch ein "i" und bitte das Kind, dieses Wort zu lesen. Liest es das Wort richtig, frage ich, warum das Wort jetzt "Mami" heisst. Kann das Kind dies mit dem Ersetzen des "a" durch das "i" erklaeren, erfolgen weitere Veraenderungen des zweiten Vokals, wodurch zwar auch "Unsinnwoerter" entstehen, aber gleichzeitig die erste Silbe redundant werden kann. Danach wird auch der erste Vokal ausgetauscht, und es entstehen Woerter wie die folgenden:

Abbildung 1

Moegliche sinnvolle Woerter: Mama Mami Mimi Momo Maumau Memo  Mumu       Unsinnwoerter:                       Moma Mamo Mimo Mume Momi

 

Die gleichen Uebungen werden dann mit den folgenden Vorlagen durchgefuehrt:

Beispiel : Papa Papi Pipi Popo Pepe

 

Im weiteren Verlauf der Foerderung wird zu dreisilbigen Woertern uebergegangen:

Beispiele fuer weitere Wortkarten

Viel Spass macht den Kindern auch die Arbeit mit dem eigenen Namen.

 

Nina Nena Nana Nano Nino Nanu Nini ...

Dominik Dominak Dominok Dominuk Deminak ...

 

Weitere Uebungsmaterialien, mit denen die Silben redundant werden

Parallel zu den Uebungen nach dem Vokal-Austausch-Verfahren kommen weitere Materialien mit Wortteilen  der Struktur KV zum Einsatz. Diese Wortteile, meist Silben werden durch spielerisches Ueben redundant und stehen damit den Kindern bei anderen Woertern als Einheit zur Verfuegung.

Beispiel: "Mo" von "Mofa" in:   Moped Motor Mode Monitor Most Mobile Monat

Aus: "Spielend lesen lernen" Interdidact Heinsberg

Auf Grund der optischen aehnlichkeit der Silben sind die Kinder gezwungen auf jeden einzelnen Buchstaben zu achten. Sie kommen durch Raten nicht weiter. Durch zahlreiche Uebungen mit unterschiedlichen Materialien in verschiedenen Schwierigkeitsstufen werden die Silben mit der Zeit redundant und auch in anderen Woertern als Einheit erkannt.

Ganz wichtig: All diese Uebungen zur fuer das Lesenlernen so wichtigen Lautsynthese und zum Redundantwerden von Wortteilen sind keine technischen Uebungen an sinnlosen Silben oder anderen Buchstabengebilden, sondern bei allen Leseuebungen geht es um sinnvolle Wortteile oder ganze Woerter. Die Kinder lesen also von Anfang an sinnbezogen im Gegensatz zu rein technischen Leseuebungen in vielen anderen Lehrgaengen. Unsinnige Woerter, die durch Austausch von Vokalen gebildet werden koennen (s. oben), muessen vom Kind als solche erkannt und benannt  werden.

 

Uebungen am PC

Die Materialien "Spielend lesen lernen" gibt es auch als Computer-Lernprogramm. Die gleichen Uebungen koennen somit auch am Computer durchgefuehrt werden, was den Kindern viel Spass bereitet. Mit Hilfe der Sounddateien kann das Kind ausserdem bei Unsicherheiten sich jeden einzelnen Buchstaben, jede Silbe oder Wort anhoeren bzw. "vorlesen" lassen.

Arbeitsblaetter bringen  weitere Abwechslung in die Uebungen 

aus: "Sicher lesen lernen" Interdidact Heinsberg

Selbst gestaltete Uebungsmaterialien zum Erlesen dreisilbiger Woerter

Mit den heutigen technischen Mitteln ist es moeglich, hochwertige Arbeitsmittel selbst herzustellen, die optimal dem jeweiligen Lernstand der Kinder angepasst werden koennen, wie das folgende Beispiel zeigt:

 

Einbettung des Vokal-Austausch-Verfahrens in die gesamte Foerderung

Lesen im Sinne des geuebten Lesers ist natuerlich viel mehr als das sichere und schnelle Erlesen einzelner Woerter. Wie wir aus dem  Schaubild "Das Lesen des geuebten Lesers" ersehen koennen, orientiert sich dieser nicht nur an den graphischen Informationen, also den einzelnen Buchstaben, Wortteilen oder Woertern, sondern bringt auch sein ganzes semantisches und sprachliches Wissen in den Rekodierungsprozess ein, was ihm wiederum bei der Antizipation der Sinnerfassung hilft. Im Gegensatz zum Leseanfaenger findet jedoch eine staendige Regulation zwischen den graphischen und sprachlichen Informationen statt, so dass er im Fall von semantischen Unstimmigkeiten Woerter oder ganze Textpassagen erneut ueberprueft.

Ein Foerderkonzept fuer Kinder mit Schwierigkeiten beim Erwerb des Lesens darf selbstverstaendlich den Sinn der Schriftsprache nicht ausser Acht lassen (Schmitt 1980). Es darf jedoch weder die technische Seite des Lesens noch den Sinnaspekt allein in den Mittelpunkt der Foerderung stellen.

Steht allein das technische Ueben im Vordergrund, kann die Motivation des Kindes trotz variabler Lernsituationen schnell zum Erlahmen kommen. Spielt der Sinnaspekt die Hauptrolle bei der Foerderung, kann durch inhaltlich interessante Woerter und Texte zwar Motivation hervorgerufen werden. Wenn die Woerter jedoch dem Kind die Einsicht in die Struktur der Schriftsprache nicht ermoeglichen, weil diese von den Kindern nicht erlesen werden koennen, besteht die Gefahr, dass sie weiterhin mit einer untauglichen Strategie an Woerter und Texte herangehen.

Das Vokal-Austausch-Verfahren setzt an sinnvollen Woertern an, die von den Kindern durch aktives Handeln veraendert werden. Die Woerter werden sogleich in einfache sinnvolle Texte mit weitgehend lautreinen Woertern eingebettet. Dabei ist es von Vorteil, wenn diese einfachen Texte in einem Bezug zur Lebenswelt des Kindes stehen.

Beispiel aus einer Foerderung im Zusammenhang mit dem Film "Findet Nemo", den das Kind zu diesem Zeitpunkt gesehen hatte:

Auf dem Weg zum geuebten Leser

Haben die Kinder Einsicht in die Struktur der Schriftsprache gewonnen und sind sie in der Lage lesetechnisch einfache Woerter sicher zu erlesen, ist es dennoch ein langer Weg zum geuebten Leser. Nur durch staendige Uebung und einen entsprechenden methodischen Aufbau, der die Schwierigkeitsgrade der zu erlesenden Woerter beruecksichtigt, erwirbt das Kind die technische Sicherheit im Erlesen (Automatisierung), so dass es beim Leseprozess auch sprachliche und semantische Informationen in die Dekodierung einbeziehen und somit fluessig lesen kann.

 

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