Auf dem Weg zum geübten Leser
Lesetechnik
Durch
Üben wird die Lautsynthese immer sicherer und flüssiger. Das Erlesen
automatisiert sich immer mehr. Das Kind erkennt immer häufiger innerhalb
der Wörter Teile, die es ganzheitlich erfasst und akustisch
zusammensetzt. Er nutzt die „Intrawortredundanz“. Der Leseakt wird
dadurch ökonomischer und schneller, das Kind wird frei für die Aufnahme
und Verarbeitung semantischer Informationen.
Dies
stellt sich bei den meisten Kindern ganz automatisch durch Übung ein.
Kindern,
die jedoch weiterhin buchstabenweise lesen und innerhalb eines Wortes
keine größere Verarbeitungseinheiten wie Silben oder Morpheme erkennen
können, verharren weiter in ihrer unökonomischen Lesetechnik.
Für
diese Kinder ist es ganz wichtig, dass Sie durch Segmentierungsübungen in
die Lage versetzt werden, Teile innerhalb eines Wortes als Ganzes zu
erkennen und so den Erleseprozess ökonomischer gestalten zu können.
Dieses
Prinzip wurde in Fibeln und anderen Werken zum Lesenlernen zu Recht schon
immer angewandt, wie das folgende Beispiel einer Fibelseite aus 1930 zeigt:
Sinnerfassung
So
wichtig die Lesetechnik - das Rekodieren = Umwandeln der Buchstabenfolge
in die entsprechende Lautfolge - ist, muss gleichzeitig der eigentliche
Sinn des Lesens, die Sinnerfassung des Geschriebenen, von Anfang an im
Auge behalten und geübt werden.
Dies
geschieht von Anfang an durch die Arbeit mit sinnvollen Wörtern bzw.
Wortteilen und findet die Fortsetzung in einfachen Sätzen, die
anfänglich durch Bilder auf ihre Realität hin geprüft werden.
Abschließender
Hinweis zum Üben
„Lesen
ist die Einkehr in ein spanisches Landgasthaus, in dem der Besucher nur
das verzehrt, was er selbst mitbringt.“ So definiert der
spanische Philosoph Ortega y Gasset (1883-1955) Lesen.
Lesen
ist also ein individueller Prozess. Jeder Leser bringt seine
eigenen Vorerfahrungen in den Leseprozess mit ein und liest
unterschiedliche Texte auch mit unterschiedlichem Tempo.
Diese
Tatsache sollte auch bei Kindern, die noch keine perfekten Leser sind,
beachtet werden. Deshalb ist es sinnvoll, Kinder einen Text - und
sei er auch noch so kurz – zunächst allein und leise lesen zu lassen.
Man sollte sie auch durchaus darauf hinweisen, dass man Wörter, die man
nicht gleich erlesen kann oder nicht versteht, zunächst überspringen
kann, denn oft ist es möglich, mit Hilfe der später gelesenen Wörter
auf die zunächst ausgelassenen zu schließen.
Lautes
Lesen in der Gruppe wird weder dem vorlesenden Kind noch den zuhörenden
Kindern gerecht, da jedes Kind sein eigens Lesetempo und einen eigenen
Zugang zum Text hat.
Beim Lauten Lesen in der Gruppe langweilen sich die guten Leser, während
die schwachen Leser unter einem hohen Druck stehen.
An
die erste Begegnung mit dem Text durch individuelles leises Lesen sollten sich Fragen zum Inhalt in mündlicher und später
auch schriftlicher Form anschließen.
Bei widersprüchlichen Aussagen zum Text wird dieser nochmals
unter der entsprechenden Fragestellung gelesen. So lernen die Kinder von
Anfang an das hypothesenprüfende Lesen des geübten Lesers.
Das
hypothesenprüfende Lesen kann noch verstärkt werden, wenn man den
Kindern zunächst nur die Überschrift des Textes anbietet und sie fragt,
ob sie sich vorstellen können, was in dem Text stehen könnte. Wenn man
dann die verschiedenen Aussagen der Kinder notiert, sind diese natürlich
sehr gespannt darauf, wer von ihnen den richtigen Inhalt des Textes
erwartet hat.
Haben
sich die Kinder mit dem Text vertraut gemacht, kann natürlich auch ein
„Vorlesen“ stattfinden. Aber die erste Beschäftigung mit einem
neuen Text sollte jedes Kind entsprechend seinen Fähigkeiten selbst
gestalten können.
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